Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live

Völlig neue Perspektive

$
0
0
Der Rundum-Blick 
Ein Typ fährt mit dem Fahrrad durch die Straßen. Saulangweiliges Video eigentlich. Es sei denn, der Typ hat sechs kleine Kameras so wahnsinnig schlau an sein Fahrrad gebastelt, dass er dabei eine nie dagewesene 360-Grad-Optik hinbekommt. Dann wird das Video plötzlich von Menschen auf der ganzen Welt angeschaut und weiterverbreitet.  

http://vimeo.com/90312869


Die Straßenmaler

Manche Dinge sind so alltäglich, dass man sie nie hinterfragt. Bis der Zufall einen schubst und man diese Dinge fortan mit anderen Augen sieht. Nehmen wir zum Beispiel mal Fahrbahnmarkierungen. Naja, denkt man, die sind halt da, wahrscheinlich werden die da mit irgendeiner Fahrbahnmarkierungsmalmaschine hingemalt. Dann sieht man diesen Film von zwei Straßenarbeitern, die einen Hinweis auf eine Bushaltestelle auf die Straße pinseln. Und möchte sich sofort verneigen. 

http://vimeo.com/36167291    


Der tanzende Cop
Wäre man ein Marketingmensch beim New York Police Department und bekäme dieses Video zu sehen, man würde sofort aufspringen und ungeachtet aller anderen arbeitenden Menschen im Großraumbüro laut aufjauchzen und dann schreien: „Bringen Sie mir diesen Mann her!“ Denn dieser gelenkige Beamte hat in zwei Minuten wahrscheinlich mehr Positives zum Image des NYPD beigetragen als es die niedrigsten Verbrechensstatistiken je könnten. Shake it, Officer!

http://www.youtube.com/watch?v=JI3Qekgp6yI


Die Shitstorm-Reaktion
Die Marketingmenschen des Cracker-Fabrikanten Honey Maid hingegen brauchen keinen tanzenden Cop, sie können sich getrost selbst auf die Schulter klopfen. Denn sie hatten eine ziemlich gute Idee für eine angemessene Reaktion auf die unangemessenen Reaktionen auf einen ihrer Werbespots. Der zeigte Familien jenseits des traditionellen Familienbildes, wodurch sich ziemlich viele konservative Zuschauer gestört fühlten und das in brüllend-geifernden Internetkommentaren auch öffentlich machten. Dann reagierte Honey Maid.  

http://www.youtube.com/watch?v=cBC-pRFt9OM    


Das Vatergesicht
Klar, Kinder haben ist bestimmt voll super und erfüllend. Sagen ja immer alle, die welche haben, wenn man sie fragt, wie zur Hölle sie das überleben mit so wenig Schlaf und so viel Geschrei. Dieser Vater hier lässt uns jetzt allerdings wieder ganz schön zweifeln. Er hat sich selbst gefilmt, wie er samstags am Computer sitzt und nichts tut – außer zu ertragen, wie seine Tochter im Hintergrund tanzend ihre neue Vorliebe für schlechtesten Dance-Pop auslebt.

http://www.youtube.com/watch?v=0n2iE3FikJ0#t=37

Homo ludens 2.0

$
0
0
Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. (Friederich Schiller)

Im Spiel kommt der Mensch zu sich selbst. Im Sprach-Spiel zur Poesie. Der spielerische Angang zur Lyrik bedeutet Handlungsfreiheit. Der Mensch im 21. Jahrhundert braucht das Sprach-Spiel als elementare Form der Sinn-Findung. In einem zweckfreien Spiel über Zufälle und Möglichkeiten erforschen Sophie Reyer und A.J. Weigoni die ludische Wende, die durch die Dominanz von Spielanwendungen auf dem Computer gekennzeichnet ist. Ihr Spiel mit der Sprache verändern die Elemente einer Situation so zu, dass Neues und Unbekanntes entsteht.

Aus einem Doppelgedächtnis rufen Sophie Reyer und A.J. Weigoni ein k.u.k. in Erinnerung, daß sie als ‚Kunst und Klang’ sinnfällig dekonstruieren. Die Komponistin und der Hörspieler präsentieren in ihrer Wortspielhalle eine Literatur als Gegenprogramm zu Alltag und Banalität. Hier findet keine experimentelle Textzertrümmerung statt, diese Poesie spiegelt eine fragmentarische Gesellschaft, diese Autoren öffnen den Blick auf die Gegenwart. Nicht nur die Literatur bedarf der Befreiung durch den Sprachwitz, mehr noch der Leser. Und manchmal steckt eine solche Subversion in einem Diminutiv, gelegentlich in einem dialektalen Wispern. Die Wienerin Sophie Reyer hält nicht ostentativ an ihrer Sprachfärbung fest, ihr Schmäh hat keine Sanftheit behalten, sondern eine polemische Schärfe gewonnen, die man dieser zierlichen Frau nicht zutraut. Diese sprachmächtige Autorin wird umso bissiger, je lyrischer sie textet.

Weit davon entfernt sich von ihrem Charme abwatschen zu lassen, setzt der ungarisch rheinische VerDichter A.J. Weigoni auf Snobismus, analytische Tiefe und der Verfolgerung der etymologischen Spuren. Wie seiner Mitverschwörerin geht es ihm darum die Monumentalität der Musik in Poesie einzuschmelzen, ohne Ehrfurcht. Die Aufmerksamkeitsspanne, die Weigoni seinem Gegenüber und dem Leser abfordert, ist von enormer Gewitztheit. Sein Eindampfen stellt in jedem Fall eine Verdichtung war. Seine Twitteratur läßt einen philosophischen Bildungsroman auf wenige Zeilen zusammenschnurren, während er als Erzähler auf der Suche nach dem Sinn des globalisierten Lebens ist – wie wir alle.

***

Wortspielhalle, eine Sprechpartitur von Sophie Reyer & A.J. Weigoni, mit Inventionen von Peter Meilchen, Edition Das Labor, Mülheim 2014

Weitere Links: Das Projekt Wortspielhalle wurde mit dem lime_lab ausgezeichnet. Das Konzept von Sophie Reyer und A.J. Weigoni lesen Sie hier. Vertiefend zur Lektüre empfohlen sei auch das Kollegengespräch :2= Verweisungszeichen zur Twitteratur von Reyer und Weigoni zum Projekt Wortspielhalle. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. Ein Porträt von A.J. Weigoni findet sich hier.

Stadt Land Fluss

$
0
0

An solchen Tagen wie heute, an denen ich Jemanden besuche und die Stadtgrenzen mit meinem Auto verlasse, bemerke ich mal wieder, wie schön die Landschaft um meine Stadt herum ist. Ich fahre immer weiter in irgendeine Richtung, die mir mein Navigationsgerät vorgibt und ich fühle mich schon bald wie auf einer Entdeckertour durch den Regenwald. Ich beobachte die Vögel, wie sie zwitschern und tschiepen und sie sehen so drollig dabei aus. Die Wiesen wirken so frisch und grün, so viele Bäume am Straßenrand. Es ist Sonntag und ich bin ganz allein auf einer Landstraße in Norddeutschland. Bald weiß ich nicht mehr wo ich mich befinde, bin hier noch nie gewesen. Die Ortsnamen sagen mir schon lange nichts mehr. Alle zwei bis drei Kilometer taucht ein Haus rechts oder links auf und ich fahre langsamer. Überrascht von der plötzlichen Zivilisation frage ich mich: Wer zum Teufel wohnt hier?


So schön grün und idyllisch die Gegend auch ist. Ich weiß, dass das bloße Vorbeifahren für mich schon Erholung genug ist und ich weiß in diesem Moment auch wieder, dass das Dorfleben für mich nicht mal eine Alternative wäre, wenn man mir solch ein Haus schenken würde. Ich bin schon seit einer Stunde unterwegs, bis ich merke, dass ich pinkeln muss. Ich kann es nicht mehr aufhalten und es ist weit und breit keine Gastwirtschaft oder Tankstelle zu sehen, in der ich meine Notdurft verrichten könnte. Ich halte am Straßenrand an und schleiche mich zwischen den Bäumen hindurch um mich hinter irgendeinen Baum zu erleichtern. Wie erniedrigend, denke ich, und merke erst beim Aufstehen, dass ich mich in einen Stachelbeerenstrauch gesetzt habe. Fluchend ziehe ich mir die Stacheln aus dem Hintern und reiße mir beim Hochziehen meiner Hose noch ein paar Fäden aus. So eine Scheiße. So eine verdammte beschissene Scheiße. Wer macht solche Nadelsträucher hier hin?


„Man merkt echt, dass du in einer Stadt groß geworden bist, du alte Diva“, antwortet mein Freund als ich ihm wütend am Telefon von meiner kaputten Hose und meinem blutigen Hintern erzähle. Er kann sich ein Lachen dabei nicht verkneifen und ich fühle mich verschaukelt. Ich kann endgültig nicht mehr verstehen, was am Landleben so toll sein soll und fahre weiter genervt durch die Einöde, bis ich endlich angekommen bin.


Ich erlebe es oft von Freunden und Bekannten, dass diese auf dem Dorf in einem prächtigen Anwesen wohnen und mit ihrem Stolz darüber auch meist nicht hinterm Berg halten können. Ein mehr oder weniger geschmackvoll eingerichteter Rückzugsort für den Einen, einzige Möglichkeit um sich was „Eigenes“ leisten zu können für den Anderen. Billige Grundstückspreise. Aha. Und dann gibt es noch jene, die meinen auf dem Dorf kenne jeder Jeden und die das auch noch für etwas Gutes halten. Man helfe sich schließlich gegenseitig, man sei immer in Gesellschaft, habe dort seine Freunde, seinen Verein und überhaupt sei doch dort alles besser. Die Luft sei besser, die Atmosphäre sei besser, das Essen sei viel gesünder, die Kinder würden viel behüteter und unbeschwerter Aufwachsen und überhaupt diese Stille. Hach.


Ich sitze dann meist zuhörend in der Ecke und hoffe, dass man mir nicht anmerkt, wie mir diese Schwärmerei Angst macht. Ich erwähne nicht, dass ich nicht will, dass mich im Dorf jeder kennt, jeder bei mir ein- und ausspazieren kann. Dass ich mich nicht bei jedem Dorffest verpflichtet fühlen will dort aufzukreuzen oder mit zu organisieren; dass es gesundes Essen auch in Biomärkten oder auf dem Wochenmarkt gibt und außerdem - was nutzt mir gesundes Essen und eine angeblich gesündere Luft, wenn der Krankenwagen mindestens zwanzig Minuten braucht, bis er bei mir Zuhause ist und ich bis dahin schon halb verreckt auf dem Wohnzimmerboden liege. Ich will nicht mein Leben mit Skat-Abenden verbringen und in der freiwilligen Feuerwehr.


Ich lebe in einer Stadt, in der es Fachärzte wie Sand am Meer gibt und ich nicht monatelang auf einen Termin warten muss. Ich gehe um die Ecke einkaufen. Ich liebe das Tschiepen meiner Wellensittiche, die auch ganz drollig aussehen und das reicht mir völlig. Wenn ich neue Klamotten brauche, kralle ich mir meine Handtasche, laufe 5 Minuten in die Einkaufsstraße und habe eine Auswahl in hundert Läden, bis ich das Passende gefunden habe. Ich muss nicht fragen, ob ich am Wochenende das Auto benutzen kann um in die Stadt zu fahren oder ob es mein Mann braucht, der mit dem Dorfkegelverein zu irgendeinem Dorfkegelvereinsturnier in ein anderes Dorf gegen einen anderen Dorfkegelverein spielen muss. Nein, ich brauche theoretisch nicht mal ein Auto. Es gibt Busse. Und ich fahre mit meinem Rad binnen weniger Minuten zum Einkaufen. Ich sehe den Kindern gern zu, wie sie auf dem Spielplatz um die Ecke spielen und sie sehen dabei auch nicht unglücklicher aus. Das mag wohl auch daran liegen, dass sie nicht jeden morgen eine dreiviertel Stunde mit dem Schulbus zur nächsten Schule gefahren werden müssen. Ich liebe es, dass auch Sonntag oder Montag Abend die Bars voller Menschen sind, die sich unterhalten und nicht unangekündigt in Jogginghosen beim Nachbarn auf der Veranda stehen. In der Mittagspause gehe ich zu meinem Lieblingsasiaten und schlendere durch die Innenstadt. Ich liebe die Lichter, das ohrenbetäubende Brummen der getunten Autos, den Bahnhof mit den vielen Menschen, die so manche anderen Sprachen sprechen und ja, ich liebe auch den pöbelnden, volltrunkenen Bärtigen, der jeden Abend an meiner Haustür vorbei torkelt. Ich liebe die Stadt. Und ich habe Angst vor dem Dorfleben, wo es das alles nicht gibt.


Andererseits: Ich wohne in einer der ruhigeren Straßen direkt in der Innenstadt, wo ich nur bei geöffnetem Fenster die brummenden Autos hören kann. Ich habe alle meine Ärzte um die Ecke und ich laufe in meiner Freizeithose zum Bäcker im Bahnhof, um meine Brötchen zu holen. Bevor ich mein Auto benutze überlege ich wirklich, ob ich es von dem hart erkämpften Parkplatz weg bewege und laufe einmal mehr in die Innenstadt, wo ich im Grunde auch nur bei immer denselben Läden einkaufe, weil die große Auswahl nach einem langen Bürotag manchmal zuviel Reizüberflutung für mich ist. Ich habe meinen festen Freundeskreis und gehe Sonntags seltener auf einen Cocktail nach Draußen, weil ich es genieße, auch mal die Vorhänge zuzuziehen und die Stadtlichter nicht mehr zu sehen. Ich schlüpfe dann in meine Jogginghose und dann genieße ich sie auch...diese Stille. Hach.


Und während ich so in meinem Auto sitze und weiter durch die Landschaft fahre, kommt mir plötzlich der Gedanke, dass mein urbanes Leben dem stets von mir verabscheuten Dorfleben gar nicht mal so unähnlich sein könnte.


Abends wieder in meiner überteuerten Maisonette- Wohnung angekommen, muss ich feststellen, dass ich sie vermisst habe. Wegen der Treppen, dem Echtholzparkett, den riesigen Fenstern, durch die ich auf den Bürokomplex gegenüber schauen und dem Bankvorstand beim Arbeiten zusehen kann. Wegen der tausend Lichter, der prima DSL-Leistung, den leckeren Cocktails in der Szene-Bar um die Ecke, dem stadtbekannten Szenefrisör im selben Haus, meiner Wellensittiche und den freundlichen Nachbarn. Aber ich komme nicht umhin zuzugeben, dass ich meine Wohnung vor allem deshalb so liebe, weil sie für mich auch etwas „Eigenes“ geworden ist. Ich habe mir hier auch ein kleines Dorfleben geschaffen - in Dorfleben in einer Großstadt. Und plötzlich finde ich das Dorfleben nur noch halb so schlimm.

Ich weiß du liest mit!

Aber du

$
0
0

Ans Meer wollte ich mit dir fahren, im März. Um dir zu zeigen, dass ich auch ins kalte Wasser springe, wenn es nötig ist.


Aber du. Du wolltest nicht mal an den Strand.

"Wetten, dass..?" vs. Windows XP - der Bildervergleich

$
0
0
Früher war alles pixelig




Spieleklassiker




[seitenumbruch]
Beistand von Gott




Beistand von Clinton




[seitenumbruch]Die haben's nie verstanden




Herunterfahren




[seitenumbruch]

Jung und nach links gebeugt




Auch als Rock-Edition




[seitenumbruch]Höchste Erhebung




Tiefstes Tal




[seitenumbruch]Achtung Trojaner!




Zeit, zum Kühlschrank zu gehen

Frag nicht, warum ich den Schnee föhne, folge einfach den EXIT-Schildern

$
0
0

Ich möchte manchmal, dass du gehst und nie wieder kommst. GEH WEG! möchte ich schreien und bitte komm einfach nie wieder. Ich möchte dich mit aller Überzeugungskraft, die ich aufbringen kann, von mir fernhalten. Ich möchte riesige Graben zwischen uns ausheben und Mauern aufschütten, höher als alles, über das man klettern kann. Ich möchte Grenzen ziehen und Anknüpfungspunkte ausradieren. Ich möchte alle Fäden durchschneiden und Verbindungen kappen.

Du gehörst hier nicht her, an meine Seite, du würdest irgendwann ertrinken, in meinem Strudel, in meinen Tränen, in meiner Verzweiflung. Ich kann mich kaum halten, geschweige denn uns beide. Meine Welt ist eine andere als deine. Es ist dunkel hier und kalt. Spitze Felsformationen ragen in den grauen Himmel, der wie eine bleierne Decke über allem liegt und nicht nur den Blick, sondern auch das Atmen hemmt. Wer mit nackten Füßen läuft, dem bluten die Zehen vom spitzen Geröll und wenn einmal die Sonne scheint, dann so sengend heiß, dass die Haut Blasen wirft und die Kehle trocken wird. Aber die Quellen hier sind brackig und braun. Ich negiere nicht die Existenz von schönen Momenten, von solchen, die alles in Gold tauchen (selbst blutige Zehen). Die sind wahnsinnig schön, aber nicht von Dauer.

Hin und wieder wird es mir gelingen, deinen Blick zu teilen. Ich werde die Welt sehen können, wie du sie siehst. Ein heller Ort, voller Möglichkeiten und Potentiale. Du negierst nicht die Existenz von schlimmen Momenten, die alles dunkel färben, aber sie sind nicht von Dauer. Für mich aber schon. „Gemeinsam stehen wir das durch“, sagst du. Und ich frage mich dann immer, ob du mit „das“ dieses ganze beschissene Leben meinst.

Ich bin niemand, der glaubt, die Liebe könne es richten. Es ist nicht deine Aufgabe, mich glücklich zu machen. Dass du glaubst, es sei deine: Heroisch, aber hoffnungslos. Ich versuche es seit Jahren. Fokusverschiebung, Neuprogrammierung, Umdenken, umschwenken. Aber ich habe nur ein One-way-Ticket gebucht und im Übrigen scheint der Bahnhof verschwunden. Im Land, dass sich „wozu denn?“ nennt sind die Verbindungen schlecht, die Anschlüsse sporadisch und oft genug liegen sie lahm.

Für dich ist „das“ eine Phase. Ist mein Habitat ein Land abseits des Weges, von dem ich einmal abgekommen bin und du glaubst, wenn du mir nur die rechten Karten reichst, meine Kompassnadel auf Kurs bringst und meine Navigationssystem aktualisiert, dann kehre ich zurück ins Glück. Du glaubst, wenn du mir die Augen öffnest, wenn du mir einen Schubs gibst, wenn du mich ermunterst, dann werde ich die Grenzen überschreiten, die mich jetzt einzuengen scheinen. Als mangle es nur am richtigen Zaubertrank, am entscheidenden Impuls, an einer Wasserwaage für die Gemütslage.  

Für mich ist „das“, was ich bin, wie ich lebe, was ich empfinde. Nämlich, dass das Leben durchaus was zu bieten hat, aber nicht zwangsläufig Großes. Dass das hier eine seltsame Veranstaltung ist und wir seltsame Partizipanten.  Kreaturen, geboren um zu sterben und das sehenden Auges mit einem Bewusstsein, dass in der Lage zu sein scheint sich selbst zu reflektieren, aber niemals zu transzendieren. Dass wir gefesselt sind an furchtbare ordinäre Ketten aus Fleisch und Fasern, aus Synapsen und Neuronen, aus  angelernten Wissen und Referenzen, die alle aufzudecken uns nie gelingen wird. Dass wir Tiere sind, Schönster, Tiere, die nichts als Affekten unterliegen und sich ein homogenes, intaktes Ich vorgaukeln, damit all das nicht so schmerzhaft ist. So wie man sich flüsternd Gute-Nacht-Geschichten erzählt, um die Dunkelheit zu vertreiben. Dass all das Zaubern und Zaudern, Zänkereien und Zimmerein, das Keuchen und Fleuchen einer gewissen Absurdität, die manchmal ins Lächerliche kippt, nicht entbehrt. Dass wir irgendwann zu Staub zerfallen werden und es nichts ändern wird, wenn wir uns in der Zwischenzeit wie großspurige Helden benehmen, mächtige Macher oder kleinspurige Kleinkarierte. Dass nichts etwas ändern wird. Wir werden vergessen worden sein. Dass wir Irrlichter sind.

Aber du, du streichst das „irr“ und behauptest Licht. Du kommst in meine Welt geschneit, wie der erste Schnee in eine Großstadt. Du brachtest den Neuschnee unter dessen Decke die Welt verschwindet und dessen Weiß in den grauen Himmel schimmert. Alle Geräusche gedämpft, alle Bewegungen verlangsamt, stiller Frieden macht sich breit und alles wird entzückend abgerückt. Glaub mir, ich mag das. Wie wir oben aufstehen und dem sanften Knirschen unser Bewegungen lauschend die Flocken von den Wimpern blinzeln. Aber Schnee schmilzt und zum Vorschein kommt, was unter ihm ist. Denn der deckt das „das“ nur über, aber ändern tut er es nicht.  

Du glaubst mir nicht, du hörst gar nicht richtig hin, du übersiehst, dass der Schnee schon sulzig ist und an manchen Stellen in spritzenden Bächen das Weite sucht. Genau wie du es tun solltest. Denn ich kann hier tanzen manchmal, trotz allem, aber ich befürchte, du wirst dir die Beine brechen. Jetzt wo sie noch heile sind, nimm sie in die Hand, schnür die Schuhe, pack deine sieben Sachen und dein Herz und lauf, solange dein Licht dir noch den Weg durch die Düsternis leuchtet. Und unterstell mir nicht, ich täte hier einen auf Heldentat. Unterstell mir nicht, ich müsse auch einmal an mich denken und sag nicht, du dürfest doch immer noch entscheiden, was für dich auszuhalten sei. Ich denke hiermit auch an mich, denn wenn du den Sinn von meinem Trüb trennen willst, kontrastiert deine Leichtigkeit meinen Schwermut. In deinem Licht sehe ich meine Schatten deutlicher als je zuvor. Also wunder dich nicht, wenn du mich in Stacheldraht gewickelt findest und in den Lauf meiner Pistole starrst, und frag mich nicht, warum ich den Schnee föhne und Exit-Schilder montiere.

Es ist, weil wir einander nichts zu geben haben, als Hoffnung und die ist bloß hoffen ohne Suffix und hoffen ist bloß warten in dem Glauben, etwas möge geschehen und ich nicht glauben kann. Es ist, weil wir einander nichts zu geben haben als Liebe und Liebe das größte Versprechen ist. Aber die größten Versprechen auch immer die größten (Ver)brechen sind und darin bin ich gut. Es ist weil also nichts bleibt und ich dir alles wünsche.



www.fragmentplagiate.blogspot.com


 

Frühlingsmorgen mit jungem Hund

$
0
0












(Landschaft bei Stöckach, Fränkische Schweiz) 

Food- Real-Mix 03/14

Gunst

$
0
0
" (...) Jedenfalls hab ich dann gemeint, dass es kein Problem ist und ich natürlich einen konstruktiven Lösungsvorschlag habe. Wir treten ihnen einfach jedes mal zu Beginn gegens Bein und dann ist es fair."
"Das sind genau die Art von Vorschlägen wegen denen wir dich so lieben!"

Wird Putin der nächste Hitler?

$
0
0
Mit der Annexion der Krim wagt Wladimir Putin, seines Zeichen Präsident Russlands, einen mutigen Schritt. Einen ähnlichen Schritt hat Adolf Hitler mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland gewagt - es stellt sich die Frage, ob Putin nun weiterhin Hitler nachahmen wird.
Einen Vergleich zwischen den beiden Charakteren zu ziehen, gestaltet sich nicht einfach, da die heutige Welt vollkommen anders ist, als sie es während der 30er Jahre des letzten Jahrhundertes war. 

Adolf Hitler führte bis zu seiner Machtergreifung ein recht erfolgsloses Leben, für ein Kunststudium in Wien wurde er abgelehnt, während des ersten Weltkriegs subordinierte er sich stark seinen Vorgesetzen, weswegen ihn die Ranggleichen als weißen Raben bezeichneten.
Wladimir Putin hingegen hat eine steile Karriere hinter sich, schloss ein Studium der Rechtswissenschaften ab, hatte zur Zeiten der UdSSR eine krisensichere Stelle in der KGB, seit bereits 15 Jahren hält er sich in den obersten Rängen der russichen Politik auf und hat viele Sympathisanten unter den russischen Bürgern, da er das Land nach den turbulenten 1990er Jahren stabilisieren konnte und zumindest den Ansatz einer Demokratie geschaffen hat.

Bereits hier zeigen sich große Unterschiede zwischen Putin und Hitler auf, der größte dürfte jedoch darin liegen, dass Hitler keinesfalls psychisch gesund war. Bei Putin ist eine noch weitgehend intakte Psyche zu vermuten, seine Aktivitäten deuten zwar oft auf einen großen Machthunger, aber nicht auf eine verhaltensbeeinflussende Krankheit hin.

Doch darf man Putin nicht unterschätzen, denn was noch nicht ist, kann noch werden.

179 -

BB

Liebesfeuer

$
0
0
Wie beschreibt man, wie es sich anfühlt, zu lieben ohne geliebt zu werden ? Die ständige Suche nach Anerkennung und Wärme von dieser einen Person. Es ist schwer mit dem Gewissen zu leben, dass diese Person wahrscheinlich nie das empfinden wird, was man für sie empfindet. Ab diesem Moment, wo einen die Tatsache klar wird, dass es zwecklos ist, Liebe zu empfinden, befindet man sich in einem finsteren Loch aus Einsamkeit, Frust und Neid, aus dem man sich befreien möchte.
Das wirklich schlimme an der unerwiderten Liebe fängt erst in diesem Augenblick an. Was auch immer man versucht, um nicht mehr zu lieben, die gewisse Person zu vergessen, scheitert im Endeffekt an der kleinsten Erinnerung. Die Annahme, man sei hinweg und liebe nicht mehr, wird durch das kleinste Andenken widerlegt und man fällt tiefer in das Loch der Einsamkeit. Dinge, die wir dafür benutzen, um uns abzulenken, frieren die Gefühle nur ein und jedes kleine Indiz, was man mit der Liebe verbindet wirkt wie ein Funken, der die Gefühle auftaut. Eine Flamme, in die man reinstarrt, die einen in den Bann zieht und anschließend verschlingt.
Das was uns Wärme, Geborgenheit und Leben schenken soll, verflucht uns mit Kälte, Einsamkeit und Schmerz. Man lebt in der Illusion, dass uns jede Abweisung und kalte Schulter, der daraus resultierene Schmerz, stärker macht und uns verhilft der Liebe zu entkommen, das Feuer zu löschen. Jedoch werden wir durch jede Enttäuschung nur schwächer, abhängiger von der Liebe. Fallen wir einmal in das Feuer der Liebe, an dem wir saßen um uns zu wärmen, verschlingen uns die Flammen schmerzvoll und unsere Hoffnungen wirken wie Brennstoff, der das Feuer ankurbelt.
"Die Hoffnung stirbt zuletzt", jedoch leiden wir, auf kosten dieser, und sterben vor ihr.

Wo konsumierst du deinen Trash?

$
0
0
Nicht oft gelangen sie ans Tageslicht, geschweige denn ins blendend helle Licht des Internets, doch umhüllt von einem mehr oder weniger dichten Schleier des Schweigens und der Scham ist das Wissen um sie ein Teil eines jeden von uns: Es gibt Orte, die zum Trashkonsum dazu gehören wie der Extra-Schuss Tabasco in den Mexikaner-Shot. Weil sie erst die Atmosphäre kreieren, in der man sich dem hingeben kann, für das man sonst keine Zeit hat, weil man denken, arbeiten und erwachsen sein muss. Sie sind es, die es erst so richtig lohnenswert machen, sich den allerletzten, anspruchslosen Müll reinzuziehen. Wir reden von den versteckten, aber heißgeliebten Orten des Trashkonsums.  





Nicht für alle Menschen haben dieselben Orte die gleiche Wirkung. Kathrin zum Beispiel gibt zu,  handlungsarme Actionthriller mit viel Wumms und sonst wenig am liebsten in einem speziell ausgewählten Kino zu sehen, in das sie sonst nicht geht, um sich komplett in der Macht der Explosionen zu verlieren. Nadja findet, dass damit jede Kinoleinwand verschwendet und der Fernseher zu Hause für vorhersehbare Soaps und Filme vollkommen ausreichend ist. Andere Menschen ziehen sich das Low-Budget-Hörbuch auf den MP3-Player und fahren dann beruhigt stundenlang im Auto rum. Mein Tipp: Trivialliteratur kann direkt in der Buchhandlung gelesen werden, zum Beispiel auf dem abgelegenen roten Sessel hinten links am Fenster oder an ein verstecktes Autorenregal gelehnt (da fällt man nicht auf).  

Diese Orte haben einen Zauber. Denn zu Hause oder im Café würde der Schrott, den man konsumiert, sofort immens an Reiz einbüßen und ein schales Gefühl der verschwendeten Lebenszeit hinterlassen. Das schlechte Gewissen ist das schnell wirksame Gift des Trash, dem es mit der richtigen Auswahl von Örtlichkeiten möglichst langfristig entgegenzuwirken gilt.  

Wie ist das bei dir? Hast du auch besondere Orte, an denen es besonderen Spaß macht, sich Zeug anzutun, bei dessen Anblick man im normalen Modus die Augen zukneifen und beide Hände mehrmals an die Stirn klatschen würde? Welche Orte sind das und was geben sie dir?   

Ein Tag im Knast

$
0
0
Klack, klack, klack, klack: Genüsslich zieht Halil, 39, seinen Schlüsselbund an den Gitterstäben der Türen entlang. Es ist ein nervtötendes Geräusch. Eines, das die Insassen schikanieren soll. Weil das Klackern so laut durch die schmalen, gelb getünchten Zellen hallt. Drinnen in einer Zelle tigert ein Jugendlicher mit schwarzen Haaren, Trainingshose und Sneakers umher. Er heißt Thomas und wirft unruhige Blicke zur versperrten Tür, wo ihn Aufpasser Halil durch ein Guckloch beobachtet.

Es ist ein klarer kalter Tag in Hamburg. Für die sieben Jungs, zu denen Thomas gehört, ist es ein Tag, der sich dennoch einbrennen wird in Kopf und Herz. Normalerweise besuchen sie die achte und neunte Klasse einer Schule in Altona. Heute aber haben sich die Schüler morgens vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel im Norden von Hamburg getroffen – und das nicht zum Spaß. Die Jungs sind alle auffällig geworden: Sie haben geklaut, geprügelt und andere schikaniert. Deshalb steht heute nicht Mathe und Sport auf dem Stundenplan, sondern das echte Leben, das knallharte. Wie der Einschluss in eine Zelle.



"Dort, wo keiner hindarf": Cool ist es im Gefängnis nicht.

Draußen vor der Backsteinmauer des Gefängnisses sind die Jungs und ihre Betreuer von Volkert Ruhe begrüßt worden. Ruhe, 59, ist ein schmaler Mann mit kurzen grauen Haaren und randloser Brille. Er saß selbst sieben Jahre im Knast und hat sich diesen etwas anderen Stundenplan ausgedacht. Ruhe hat „Gefangene helfen Jugendlichen“ gegründet. Der in Deutschland einzigartige Verein will Teenager von der kriminellen Laufbahn abbringen: Seit 1999 bringt Ruhe auffällige und gewaltbereite Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren in die Justizvollzugsanstalt. Dorthin, wo sonst keiner hindarf. Gut 4000 Schüler haben schon teilgenommen und das hat einiges bewirkt. „Jugendliche Straftäter haben oft den Eindruck, das Leben hinter deutschen Gefängnismauern ist cool. Das wollen wir gerade rücken“, erklärt Ruhe.

Bis Mittag müssen die Jungs heute bleiben. Draußen haben Thomas und die anderen noch blöde Sprüche geklopft. „Alles voll easy und so.“ Dann kommt die Schleuse; Rucksäcke, Handys, Portemonnaies verschwinden in Schließfächern. Einige Jungs werden von Beamten abgetastet, es wird gekichert. Draußen im Hof hebt Halil die Stimme. „Hier hat keiner die Hände in den Taschen“, ruft der bullige Typ. Jetzt geht er mit der Gruppe zu einem leer stehenden Zellentrakt. Dort werden die Schüler für zehn Minuten in den Zellen eingeschlossen. Damit sie gleich mal spüren, wie das ist: hinter Gittern und ganz allein.

Halil kennt das alles; er verbüßt selbst eine langjährige Strafe. Seit einiger Zeit ist er Freigänger und gehört zum 15-köpfigen Team um Volkert Ruhe. Regelmäßig begleitet er die Gruppen. Dann stellt er sich breitbeinig vor die Schüler und erzählt vom Knastalltag, bis auch dem letzten Jugendlichen das Grinsen vergeht. Halil erzählt von der Monotonie, vom Alleinsein, von der aggressiven Stimmung. „Wenn dich einer anpöbelt, und du schlägst zurück, werden beide bestraft – vielleicht mit Isolierstation“, sagt er und schaut in verschreckte Gesichter.

Das ist die andere Seite des Projekts: Neben den Jugendlichen profitieren auch Inhaftierte wie Halil davon, sagt Ruhe. Durch die Arbeit mit den Jungs haben sie eine sinnvolle Aufgabe, und sie müssen ihre Taten immer wieder reflektieren. „Das hilft bei der Rückkehr in den Alltag.“

Volkert Ruhe selbst lebt Halil und anderen Inhaftierten vor, was für ein Aufstieg möglich sein kann nach der Haftstrafe. Durch das Projekt ist Ruhe ein neues Leben gelungen. Er stammt aus einer zerrütteten Familie, er hat viel Mist gebaut und wurde beim Drogenschmuggel erwischt. Heute ist das lange vorbei: Ruhe ist zum Wohltäter geworden. Im Gefängnis hat er die mittlere Reife nachgeholt, gemeinsam mit zwei Inhaftierten hat er das Projekt für Jugendliche entwickelt und den Verein gegründet, den er als Geschäftsführer bis heute leitet. Ruhe hat jetzt eine Ehefrau und Sohn – und er bekommt bundesweit große Anerkennung. Kürzlich wieder. Da hat ihn die Organisation Ashoka zum Sozialunternehmer gekürt und unterstützt ihn seither mit Beratung und Geld. Ruhe bekommt ein dreijähriges Stipendium, damit er das Projekt auch in anderen Städten wie etwa Gelsenkirchen aufbauen kann.

Thomas und die anderen Schüler haben jetzt den härtesten Teil des Tages erreicht. Sie haben durch die nächste Schleuse das Haus II der JVA Fuhlsbüttel betreten, besser bekannt als „Santa Fu“ – das ist einer der härtesten Knäste der Republik. Hier leben die schweren Jungs, Kriminelle mit Haftstrafen von mehr als drei Jahren. Sternförmig sind die Gänge der mehrstöckigen Strafanstalt angelegt, in der Mitte treffen sie zusammen. Dort sind Netze zwischen den Etagen gespannt, damit niemand hinunterspringt oder gestoßen wird. In einem Glaskasten sitzen Justizbeamte, trinken Kaffee und beobachten die Monitore. Es ist niemand zu sehen, die gut 270 Männer sind auf dem Gelände. In der Bäckerei etwa, beim Tischler oder dem Gartenbau. Arbeiten ist hier Pflicht.

Im Nachbargebäude warten vier Inhaftierte auf die Schüler. Alle setzen sich in einen Kreis mit Stühlen, und Halil legt los. „Jungs, hier sitzen ein Mörder, ein Bankräuber, ein Drogendealer und ein Geldwäscher. Wer ist wer?“ Die Schüler sind ratlos. Verlegen mustern sie die Männer, die in Jeans und Kapuzenpulli zwischen ihnen Platz genommen haben und genauso gut in der S-Bahn oder im Bus sitzen könnten. Normale Männer irgendwie. Bis sie beginnen, von ihren Straftaten zu erzählen.

Ruhe hat das selbst oft getan. Er hat im Knast und bei Schulbesuchen aus seinem Leben erzählt. Dann beschreibt er seine Jugend im Harz. Wie ihn die Furcht vor dem prügelnden Vater aus dem Haus treibt. Wie er sich als 14-Jähriger schämt, wenn er im Sportunterricht das T-Shirt wechselt und die blauen Flecken von den Schlägen zu sehen sind. Wie er eine Lehre zum Landmaschinenmechaniker absolviert, kaum Geld hat und einen Kiosk knackt. Mit 18 muss Ruhe wegen solcher Einbrüche drei Monate in den Knast. Danach nimmt er hier und da einen Job an. Als er vom Harz nach Hannover zieht, landet er in einer Drückerkolonne und muss Zeitungs-Abos verticken. Das hält er sieben Jahre lang aus. „Nach einiger Zeit ist man echt ausgelaugt.“

Ruhe schafft den Absprung – irgendwie – und macht eine Autowerkstatt auf. Als er einmal aus einem Urlaub zurückkehrt, ist die Werkstatt ausgeräumt, und Ruhe gerät erneut auf die schiefe Bahn. Ein Freund überredet ihn zum Drogenschmuggel. Getarnt als Kameramann bringt Ruhe kofferweise Koks von Kolumbien nach Deutschland, dafür kriegt er 20000 Mark. „Am Anfang war das ein großes Abenteuer.“ Der Freund wird verhaftet, Ruhe flieht nach Kolumbien, wird von Hintermännern bedroht und organisiert weiter Drogenkuriere. Bis er hvon internationalen Fahndern verhaftet und nach Hamburg gebracht wird. 13 Jahre Haft – so lautet das Urteil in der Heimat.

„Wenn man einmal in diesen Kreislauf gerät, ist das wie eine Spirale“, sagt Ruhe und schaut in die Runde. „Es fängt klein an und verselbständigt sich.“ Bis jetzt haben die Jungs still gelauscht. Nun müssen sie selbst erzählen. „Wart ihr schon auf der Polizeiwache? Liegen Anzeigen gegen euch vor? Wart ihr schon mal im Jugendarrest?“ Im Stakkato-Takt prasseln Fragen auch auf Thomas nieder. Er habe „ein paarmal geklaut und geschlagen“, murmelt er kleinlaut, „nichts Schlimmes“. Doch Ruhe lässt nicht locker, er bohrt und hakt nach: „Findest du das harmlos, andere zu schlagen?“

Es sind ungewohnt direkte Worte für Thomas. Sie sollen ein Warnschuss sein – damit die Jugendlichen begreifen, dass es bei allen klein angefangen hat. Das möchte auch Halil klar machen. Bei ihm hat es mit dem Klauen einer Milchschnitte begonnen. Viele Straftaten später, Halil war zur Größe in seiner Gang aufgestiegen, hat er im Streit einen Menschen erschossen. „Ich möchte nicht, dass eure Geschichten so enden wie meine“, sagt Halil.

Es sind harte Geschichten, ehrliche Worte – und sie wirken nach. Ruhe ist sich sicher, dass die Knastbesuche bei den Schülern fruchten. Das hat der Verein über Jahre über Jahre ausgewertet. Ein Drittel der Besucher bleibe später straffrei, sagt er. Bei einem zweiten Drittel gebe es weit weniger Gewalttaten. Nur ein letztes Drittel mache weiter wie bisher. „Eine solche Quote sehen wir als guten Erfolg.“

Thomas jedenfalls ist hinterher weitaus kleinlauter. Er plappert nicht mehr so viel und stellt kaum noch naive Fragen. Beim abschließenden Knastessen mit den vier Insassen schiebt er die Kartoffeln in Senfsoße auf dem Aluteller hin und her. Hunger hat er keinen. Vor allem die Zeit in der Zelle hängt ihm nach. „Echt furchtbar“, sagt er. „Da will ich nie wieder rein.“

Tagesblog am 9. April 2014

$
0
0
17:45 Uhr: Wir hatten heute einen sehr netten Schülerpraktikanten in der Redaktion zu Gast. 15 war er. Ausgerechnet heute haben wir dann die Hälfte der Redaktionskonferenz damit verbracht, über Sex zu reden. Jetzt ist er heimgegangen. Und wir können den Tag auf jetzt.de mit einer schönen Dosis (verbotenem Akrobatik-)Sex beenden. Mit einer Topsexliste.  Tschüss!





++++

17:26 Uhr:
Da kommt man heim, und plötzlich rangeln zwei Menschen mit einem Fahhrad und dann mit sich selbst und dann kommt auch noch die kampferprobte Frau Bertschi. Hab ich nicht selbst erlebt, ist eine Geschichte von jetzt-User freitagsmachichfrei. Eine, die ich hiermit empfehle.

++++

16:25 Uhr:
Wenn ich jetzt schon über Sachen schreibe, über die ich sonst nicht schreibe, kann ich jetzt auch noch diese Eilmeldung bringen, die gerade Hakan getwittert hat. Der Ultimate Warrior ist gestorben. Mann ey!

++++

15:28 Uhr:
Das Thema Rap haben wir ja heute schon mal gestreift (siehe 10:52 Uhr). Jetzt kommt noch ein bisschen mehr. Ich höre nämlich seit ein paar Tagen plötzlich wieder HipHop. Wie es dazu kam? Ich habe ein neues HipHop-Online-Magazin entdeckt, das seit kurzem von lauter Ex-Juice-Rap-Checkern und anderen HipHop-Experten gemacht wird: Allgood.de.

Ich verstehe zwar die Hälfte dessen, was die da schreiben, nicht, weil es zu viel Insiderwissen verlangt und ich HipHop einfach nicht so ernst nehmen mag (Geschmacksprobe? "Die schwere, in sich gekehrte Melancholie eines Scarface verschmilzt mit der verspielten Kiffermentalität eines Danny Brown, Raekwons rüde Straßeneskapaden reihen sich ein neben der juvenilen Wortgewalt von Domo Genesis und Earl Sweatshirt").

Ist aber egal. Die Seite sieht schön aus, und mir macht es Spaß, da auf Entdeckungsreise zu gehen und ab und an ein gutes Lied zu finden. Damit haben die Jungs schon viel erreicht. Hier die Ausbeute meiner Rap-Entdeckungsreise:

Vic Mensa - Lovely Day (Gut, weil sonnig und funky und ungewöhnlich gerappt) 

http://www.youtube.com/watch?v=vIWL7XLzQkU

L.atasha A.lcindor - L.A. State of Mind (Gut, weil Powerfrau und Aiiiaiaiiiaiaiiii)

http://vimeo.com/85635179

Chester Watson - Phantom (Gut, weil kleiner Schüler, der klingt als wären A Tribe Called Quest auferstanden)

http://www.youtube.com/watch?v=N53zkq_ypoc#t=21

Bloody Jay - Get it in blood (Gut, weil Gangster-Bärchen, das irgendwie abgefahren singt. (Das Gelaber am Anfang bitte vorspulen))

http://www.youtube.com/watch?v=_eM-3vbCALM

Raz Simone - Natural Resources (Gut weil, Beat mit Piano. Und weil ich's ihm abnehm)

http://www.youtube.com/watch?v=XwRdOmA_ZmY#t=92

++++

14:00 Uhr:
Ich nehme im Supermarkt nie die Herzen, die die Kassierer mir anbieten. Bisher habe ich dabei aber nie darüber nachgedacht, dass das den Kassierern eventuell weh tun könnte. Kathrin ist da sensibler als ich. Ihr brechen die Herzen-Schenker das Herz. Ich gefühlskalter Holzklotz, ich!





++++

13:37 Uhr:
Wer nach Anklicken dieses Links und Durchscrollen der dahinter verborgenen Grafik noch glaubt, dass das verschollene Flugzeug MA 370 noch gefunden wird, darf sich guten Gewissens Optimist nennen.

++++

2:56 Uhr:
Irgendwie begegnen mir in den letzten Tagen ständig Links zu Kreativlingen, die tolle Sachen mit berühmten Albumcovern anstellen. Gestern zum Beispiel eine Geschichte im Guardian, für die sich Menschen mit sehr viel Geduld durch die Google-Streetview-Welt geklickt und die Orte besucht haben, an denen berühmte Album-Cover geschossen wurden:

[plugin imagelink link="http://static.guim.co.uk/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2014/4/3/1396539032141/46e806bb-84d7-4757-bdb5-115d2813e78c-620x372.jpeg" imagesrc="http://static.guim.co.uk/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2014/4/3/1396539032141/46e806bb-84d7-4757-bdb5-115d2813e78c-620x372.jpeg"]

Und heute sehe ich dann Bilder, für die sich ein Flickr-Nutzer überlegt hat, wie berühmte Album-Cover denn aus einer anderen Perspektive aussehen würden: Das Nevermind-Baby von hinten zum Beispiel, oder die Beatles-Abby-Road  vom Zebrastreifen aus in die andere Richtung geblickt.

[plugin imagelink link="http://cdn.stereogum.com/files/2014/04/Nirvana.png" imagesrc="http://cdn.stereogum.com/files/2014/04/Nirvana.png"]

++++

11:30 Uhr:
Schon mal nachts gearbeitet? An der Garderobe eines Clubs? An der Rezeption eines Hostels? Manchmal sind solche Nacht-Jobs wahnsinnig fad. Um der Langeweile zu entgehen, glotzen manche Nachtarbeiter deswegen ununterbrochen Serien. Manche nutzen die Zeit aber auch kreativer. Wir haben vier Wachbleiber nach ihrer Taktik gefragt.




++++

10:52 Uhr:
Gerade ist in den jetzt-Momenten etwas sehr Schönes eingetrudelt, jetzt-User alcofribas hat diesen Tumblr verlinkt, der HipHop und Rap in ein völlig neues Licht rückt. Gangster-Rapper weisen nämlich erstaunliche Ähnlichlkeiten zu Gemälden aus längst vergangenen Zeiten auf.
[plugin imagelink link="http://24.media.tumblr.com/149a75e7aaae951e45f07a2cbd78a922/tumblr_n3dqsib8A71txszqqo1_1280.jpg" imagesrc="http://24.media.tumblr.com/149a75e7aaae951e45f07a2cbd78a922/tumblr_n3dqsib8A71txszqqo1_1280.jpg"]

++++

9:48 Uhr:
"Mathematiker der Universität Aarhus haben einmal ausgerechnet, dass es 85 Milliarden Möglichkeiten gibt, um sieben gleichfarbige Legosteine miteinander zu kombinieren." So beginnt ein Text über den Lego-Movie in der heutigen SZ.
Ich haben mit Lego nie viel anfangen können, mein Technikdeppentum hat sich schon ganz früh bemerkbar gemacht, wenn Kindergartenkumpels irgendeinen Lego-Technik-Bagger bauen wollten und ich daneben saß und ihnen auf ihre Befehle hin die richtigen Bauteile reichte und sonst nur dachte: Lasst uns doch auf den Bolzplatz gehen! Wie dem auch sei - kluger Text, bitte lesen.

++++

9:32 Uhr:
Wenn wir schon keine Hasen essen dürfen, wollen wir wenigstens Trash konsumieren. Darum geht es heute auch im Ticker: Was sind deine Trash-Tempel?


(Foto: dpa)

++++

9:25 Uhr:
Sie hat die Hasen versteckt! Weg waren sie! Schande! Oder journalistischer Quellenschutz? Egal, vor uns ist kein Schokohase sicher!




++++

9:09 Uhr:
Guten Morgen aus dem SZ-Hochhaus und willkommen im Tagesblog. Habe bei meiner Ankunft gerade eine schöne Überraschung erlebt. Kathrin macht eine hochinvestigative Schoko-Osterhasen-Recherche für die SZ, und kam deshalb vorhin mit einem Korb in die Redaktion, der von diesen köstlichen Tieren nur so überquillt.

Er nennt es Sieg

$
0
0
Der Gast aus Moskau schwärmt in höchsten Tönen. Er sagt: Baschar al-Assad, sein Gastgeber in Syrien, sei „in Top-Form“. Der ehemalige russische Premierminister Sergej Stepaschin tut dem Diktator in Damaskus auch gleich den Gefallen, dessen neueste politische Botschaft zu verbreiten: „Die aktive Phase des Militäreinsatzes“ im syrischen Bürgerkrieg gehe noch 2014 zu Ende. Dann werde man sich dem widmen, „was wir die ganze Zeit getan haben: Terroristen bekämpfen“.



Demonstranten in Damaskus unterstützen Baschar al-Assad.

Die Botschaft: Assad mag zwar nur das halbe Land kontrollieren, dennoch sieht er sich als Sieger. Denn die Aufständischen sind nach drei Jahren des zermürbenden Kampfes auf dem Rückzug. Bald, so Assads Kalkül, werde es nur noch um den Kampf gegen versprengte Gruppen gehen und nicht mehr um den Krieg gegen Milizen, von denen einige inzwischen organisiert sind wie regelrechte kleine Armeen.

Offensichtlich ist, dass Assads Armee in den vergangenen Monaten eine Reihe militärischer Erfolge erzielt hat. Doch die Aufständischen kontrollieren noch immer weite Teile des Nordostens. Hier lagert Syriens Öl, hier wächst das Getreide. Auch die kurdischen Gebiete sind derzeit fast autonom – sie unterstehen dem Schutz kurdischer Milizen, die sich Assad-treu geben. Für eine Rückeroberung dieser Gebiete und die Wiederherstellung der staatlichen Kontrolle dürfte Assad Jahre brauchen.

Dennoch spielt die Zeit für Assad. Die Rebellen haben nach den jüngsten Kämpfen an der libanesischen Grenze Rückzugsgebiete verloren, wichtige Nachschublinien aus dem Nachbarland sind unterbrochen. Im Nordosten an der Grenze zur Türkei und dem Irak haben die Oppositionellen weitgehend das Sagen. Aber die meiste Kraft verwenden die Milizen seit Monaten darauf, gegeneinander Krieg zu führen: Neben ideologischen Streitereien zwischen ultra-islamistischen Gruppen geht es offenbar darum, wer die Ressourcen einer anarchischen Kriegswirtschaft im Nordosten kontrolliert, heißt es in einer Studie des European Council On Foreign Relations (ECFR). Wer kann in primitiver Form Öl und Gas ausbeuten, Landwirtschaft, Handel und Schmuggel in den Kampfgebieten beherrschen?

Diese Konkurrenz zwischen den Rebellen um Ressourcen – so die Studie – führe dazu, dass die Milizenführer ein ökonomisches Interesse an der Fortsetzung des Kriegs entwickelten und der Aussicht auf Frieden wenig abgewinnen könnten. Es entstünden unabhängige Machtzentren, die den Zerfall von Assads Zentralstaat noch vorantrieben. „Komplett neue Wirtschaftsnetze entstehen – häufig im illegalen Bereich – und neue Gruppen und Personen kommen an die Macht, während die traditionelle Unternehmerklasse an Bedeutung verliert“, heißt es über den sich entwickelnden Mafiastaat im Rebellengebiet.

Die ECFR-Studie geht davon aus, dass der Niedergang der syrischen Wirtschaft nach drei Kriegsjahren total ist. Selbst wenn Syrien nach Kriegsende fünf Prozent Wachstum pro Jahr erreichen könnte, würde es fast 30 Jahre dauern, bis es die Wirtschaftskraft von 2010 wiedererlangt – und Syrien zählte schon damals zu den ärmeren arabischen Staaten.

All dies scheint Assad nicht zu beeindrucken. Im Gespräch mit seinem Besucher aus Moskau, Ex-Premier Stepaschin, spottete er sogar über den gestürzten Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch. Er, Assad, werde nicht vor der Opposition in seinem eigenen Land fliehen, er werde seinen Platz nicht räumen. Assad hat bereits angekündigt, dass er bei den Präsidentenwahlen wieder antreten will – und er hat das Wahlgesetz so umgestalten lassen, dass einem Wahlsieg kaum etwas in die Quere kommen dürfte.

Es verwundert nicht, dass Assad ausgerechnet einen Russen bat, der Welt seine Botschaft vom angeblich bevorstehenden Sieg in einem Krieg mit bisher schon 150000 Toten zu verbreiten. Moskau ist zusammen mit Teheran der zuverlässigste Partner Assads. Auch der dritte Bundesgenosse, der libanesische Schiitenführer Hassan Nasrallah, meldete sich pflichtschuldig zu Wort. Er erklärte, es bestehe keine Gefahr mehr, dass Assad fällt. Nasrallah sagte der Zeitung Al-Safir, auch der Zerfall Syriens drohe nicht mehr. Seine Hisbollah-Miliz kämpft in Syrien an Assads Seite und hat viel zu dessen Siegen beigetragen.

Aufstand der Allesbauer

$
0
0
Mathematiker der Universität Aarhus haben einmal ausgerechnet, dass es 85 Milliarden Möglichkeiten gibt, um sieben gleichfarbige Legosteine miteinander zu kombinieren. Vor der genauen Berechnung für acht Steine mussten die Herrschaften dann auch schon kapitulieren.

Vor den Millionen virtuellen Legosteinen, aus denen das Universum des „Lego Movie“ besteht, steht man daher weniger wie vor einer Kinderspielzeugwelt als vor einem Supercomputer, der sämtliche Kombinationsmöglichkeiten aller Legosteine in rasender Geschwindigkeit hintereinanderweg rechnet und dabei einen wild rotierenden Kreativitätshurrikan permanenter Entschöpfung und Neuschöpfung entfesselt, der selbst unerschöpflich scheint. Denn im Animationsfilm von Phil Lord und Christopher Miller, der in einer aus Lego gebauten, nur von Legofiguren bevölkerten Welt spielt, gibt es keine realisierten oder auch nur zählbaren Möglichkeiten mehr. Es gibt nur noch den Bereich des Möglichen überhaupt. Nicht des menschenmöglichen, des legomöglichen. Es scheint, dem atomistischen Baukastensystem sind noch weniger Grenzen gesetzt als einer aus Atomen bestehenden Welt.



Die Lego-Figuren Wyldstyle (l-r), Emmet und Vitruvius in einer undatierten Filmszene des Kinofilms "The LEGO Movie"

Im Auge dieses Orkans steht der meist nicht besonders gut orientierte Emmet. „Kannst du mir mal bitte sagen, was diese Klamotten sollen, und warum ein Name am Himmel steht?“ wundert sich das gelbe Männchen. Eben noch in der Stadt unterwegs und in Arbeiterklamotten, steht es nun im Wilden Westen mit Cowboyhut. Und ja, der Name steht groß am Himmel. Noch. Aber gleich wird Emmet, nach einer spektakulären Eisenbahnfahrt, in ein hippes buntes Candyland purzeln, von da in die Tiefen der Meere und so weiter.

Zwischen den bekannten Lego-Welten (der Stadt, dem Wilden Westen, dem Ozean, dem Weltraum) befindet sich die Welt des „Lego Movie“ im permanenten Aufbruch. Das ist schon die ganze, ebenso simple wie gänzlich abstrakte Story des Films: Eine Gruppe von „Meisterbauern“, die im Lego-Universum schlichtweg alles bauen können, sagt dem großen Herrscher über das Legoreich den Kampf an, der die von ihm ohnehin schon extrem geordnete Welt mit einer Superwaffe komplett stillstellen will – weshalb der Widerstand im Um- und Neubau selbst liegt. So wird schon mal aus dem Nichts (na ja, aus Lego) ein Motorrad oder ein U-Boot zusammengezimmert. Oder man errichtet rasch auf einem Zug in voller Fahrt eine Rampe, um den motorisierten Angreifer, der sich in rasender Fahrt übers Dach nähert, in die Lüfte zu schicken, wo er sich in ein Flugzeug verwandelt, während die Gejagten selbst von einem Lego-Batmobil gerettet werden, das seinerseits in eine Serie von Gestaltwandlungen eintritt. Der Mythos Lego, den der Film demonstriert, wäre dabei selbst beinahe vor einiger Zeit verloren gegangen. Nach dem großen Erfolg, den der dänische Spielzeughersteller seit den Fünfzigerjahren mit seinem Baukastensystem hatte, stand der Konzern 2004 kurz vor dem Ruin. Heute erwirtschaftet das Unternehmen in einer Branche, die von starken Umsatzeinbußen geplagt wird, wieder Rekordgewinne, eröffnet neue Filialen und gönnt sich nun auch noch einen Film, der bis heute weltweit schon mehr als 400 Millionen Dollar eingespielt hat. Was war passiert? Der neue Chef Jørgen Vig Knudstorp hatte sich statt auf Uhren, Pullover und die Legoparks wieder auf das Maß aller Dinge konzentriert, den Legomythos, das heißt: den Stein. So steht ein mythischer „Stein des Widerstands“, der die Paralysierung der Legowelt verhindern soll, auch im Zentrum des Films.

Der Mythos von Lego besteht darin, dass alle, die Lego bauen, mit diesen Urelementen, den Steinen, ihre eigenen Geschichten erzählen, ihre Mythen bauen und umbauen können. Bauen nach strikter Anleitung ist unter echten Lego-Jüngern ebenso verschrien wie im Film, wo nur der böse Herrscher President Business darauf beharrt. Mit Soaps, in denen nur ein einziger Satz fällt („Schatz, wo ist meine... Hose?“) und dem Fascho-Popsong „Alles ist super“ kontrolliert er die Welt. Und wenn am Anfang noch die totale Anpassung gegen den Glauben an den einen „besonderen“ unter den Meisterbauern steht, der die Welt retten kann, dann ist am Ende natürlich jeder Legobauer was Besonderes.

In diesem Mythenbaukasten dürfen natürlich die anderen popkulturellen Mythen und Mythologien der vergangenen Jahre und Jahrzehnte nicht fehlen: Ob nun Star Wars, Harry Potter, Herr der Ringe, Indiana Jones, Pirates of the Caribbean oder die Comicfiguren von Marvel und DC – sie alle müssen sich ihrer Umgestaltung anbieten, in Bausätzen ebenso wie in digitaler Form, wo man mit dem Programm „Lego Creator“ etwa eine eigene virtuelle Lego-Harry-Potter-Welt bauen kann. Und fast alle werden auch im Film auftauchen.

Der Film scheint sich überhaupt aus dem Kino der vergangenen Jahre zu ernähren: Lord und Miller zitieren die Eisenbahnfahrt aus „Lone Ranger“ und die Szene, in der die Minions ihre nackten Hintern fotokopieren, aus „Ich – Unverbesserlich 2“. Das große „Wolkenkuckucksheim“, ein Regenbogenparadies über den Wolken, in dem eine Einhorn-Kitty über immerwährende Fröhlichkeit wacht, ruft die psychedelischen Phantasien aus Ari Folmans „The Congress“ wach, und die Meisterbauer, die ganze Welten bauen können, erinnern an die Traumarchitekten aus Christopher Nolans „Inception“.

So surft man durch „The Lego Movie“ wie mit einer großen Suchmaschine, in der alles da ist. Die Gefräßigkeit von Lego entspricht da nicht nur jener des Animationskinos, das immer wieder alte Inhalte recycelt, sondern besonders jener von Google: Die totale Verfügbarkeit aller Inhalte, die der User nach seinem Gusto benutzen kann, das ist es, was Lego mit Google verbindet, die große digitale Utopie unserer Zeit.

Aber indem die Legosteine eben Pixeln ähneln, bekommen diese etwas, was sonst gerne verschleiert wird: eine Materialität, ein Gewicht. Nein, wir leben nicht im rein virtuellen Raum, in dem einfach „alles möglich ist“, sondern in einem Raum aus Materie, in dem es Widerstände gibt: das Digitale hat immer noch materielle Grundlagen.

Wenn etwa im Film geduscht wird, kommen dicke weiße Kügelchen aus der Brause. Auch der weite Ozean ist aus Lego gemacht, wie aus einem sehr niedrig aufgelösten, nur grob gerenderten Meer aus Pixeln, das sich ruckelig bewegt – ein klarer Widerstand gegen die gewohnte Flüssigkeit der Computeranimation, die auch Lord und Miller verwenden. Und die Eisenbahn stanzt aus dem Schornstein kleine Legowölkchen in den Himmel. Sodass jedes Einzelbild, jede Bauphase, erahnbar bleibt. So stellt die Stakkato-Ästhetik der sogenannten Brickfilme, jener Legofilme, die Bastler im Stop-Motion-Verfahren drehen (Youtube ist voll davon), das wichtigste aller Zitate im „Lego Movie“ dar, das den Film weit über die Markenpropaganda hebt und seinen experimentellen Charakter unterstreicht. Denn durch sie wird deutlich, dass die beiden Kräfte der Lego-Welt, die des Umbaus und jene der Fixierung, an einem wichtigen Punkt ununterscheidbar sind: Auch, wenn man unbegrenzt alles bauen kann – man bleibt dabei immer auf Legosteine festgelegt.

Legosteine, in ihren limitierten Grundformen, sind standardisierte Materialität. Auf sie, mit denen immer schon Mythen (nach)gebaut worden sind, trifft am Ende die digitale Utopie – der Traum von der totalen Verfügbarkeit und Umgestaltbarkeit der Dinge von allem durch alle. Und wird als reiner Mythos enttarnt.

Denn auch die digitale Utopie braucht Grundbausteine – Sourcecodes, Standards, materielle Infrastrukturen – die von monopolistischen, allen ihre Regeln aufzwingenden Plattformen wie Google oder Facebook definiert werden – und dadurch kontrolliert und fixiert. Der Film von Lord und Miller ist also eine große digitale Phantasmagorie unendlicher Möglichkeiten, die aber in jedem Einzelbild schon aufs Erwachen hindrängt – überall dort, wo die groben Steinkaskaden wie übergroße Pixel für eine Millisekunde vor unseren Augen innehalten.

The Lego Movie, USA 2014 – Regie: Phil Lord, Christopher Miller, Buch: Lord, Miller, Dan Hageman, Kevin Hageman, Kamera: Barry Peterson, Pablo Plaisted. Verleih: Warner, 100 Minuten.

Lass uns Freunde sein

$
0
0
Vor 50 Jahren soll die Yakuza, wie sich die japanische Mafia nennt, noch 180000 Mitglieder gehabt haben. Vor acht Jahren immerhin noch 90000. Jetzt gehören laut neuesten Zählungen der japanischen Polizei nur noch 60000 zur Yakuza. Es herrscht Krisenstimmung bei der japanischen Mafia. Ihre größte Gruppe, die Yamaguchi-Gumi, bekämpft diese Krise nun mit einer PR-Offensive, in der sie ihre Werte und Ziele vorstellt: Reinheit und Nationalismus. Und sie tut das ganz zeitgemäß, auf einer neuen Website nämlich.



Ein Yakuza-Boss raucht eine Zigarette - "Bekämpfung der Drogen" ist nicht Zweck der neuen Website. Sie soll Nachwuchs anwerben.

Anders als die italienische oder amerikanische Mafia versteckt sich die Yakuza nicht. Ihre Mitglieder sitzen in offiziellen Büros, gehen gerne öffentlich essen und haben sogar eigene Visitenkarten. Mit der bloßen Mitgliedschaft in einer Yakuza-Gruppe verstößt man nicht gegen das Gesetz.

Das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern – die Kriminellen sind gut mit der Politik vernetzt. Zwar mussten in den letzten Jahren einige Minister zurücktreten, weil ihre Freundschaften zu den Verbrechern zu eng wurden. So verfügte ein Minister über einen Bruder in der Spitze einer Yakuza-Gruppe – der Politiker musste gehen. Bisher ohne Konsequenzen jedoch blieb ein Foto, das Premier Shinzo Abe mit Ichu Nagamoto zeigt, einem führenden Mitglied der Yamaguchi-Gumi. Der Premier behauptet, er kenne den Mann nicht. Das reicht. Interessant ist aber, dass der Großvater des Politikers, Nobosuke Kishi, im Jahr 1960 als Ministerpräsident 28000 Yakuza nachweislich mobilisierte, damit diese eine antiamerikanische Demo niederknüppelten.

Als letzte der 48 japanischen Präfekturen führte vor zwei Jahren auch Tokio eine Bestimmung ein, wonach sich jeder strafbar macht, der mit einem Yakuza Geschäfte macht. Seither müssen zum Beispiel Banken ihren Yakuza-Kunden die Konten kündigen oder die Kreditkarten sperren.

Dennoch unterhalten die Yakuza bis heute viele illegale Wettbüros – den größten Teil ihrer Profite machen sie mit Wucherkrediten und Rotlicht-Diensten. Zudem expandieren sie in die legale Wirtschaft. Sie spekulieren an der Börse und könnten dort auch Geld waschen. Sie handeln mit Immobilien und betreiben legale Arbeitsvermittlungen. Und in Japans Kernkraftwerken, auch in der Ruine von Fukushima I, machen oft die von Yakuza-Firmen in diese Jobs gezwungenen Männer die gefährlichsten Jobs. Tepco und die anderen AKW-Betreiber wissen davon angeblich nichts.

Die neue Website gibt ihre wahre Bestimmung erst auf den zweiten Blick preis. Beworben wird zunächst eine „Liga zur Bekämpfung von Drogen”, einst eine Gründung der Yamaguchi-Gumi. Doch die Liga war seit Jahren inaktiv, nicht zuletzt, weil die Yakuza angeblich selber mit Drogen handelte. Daneben gibt die Gruppe vor, zu ihren hehren Anfängen zurückkehren zu wollen. Beschworen wird der Ehrenkodex, laut dem sich die Yakuza besonders für Schwache einsetzt. Auch wird behauptet, dass die Hilfe nach dem großen Erdbeben von der Yakuza besonders effizient organisiert worden sei. Und natürlich wird den Ausländern die Schuld an Übeln wie Korruption, Verbrechen und Drogen in die Schuhe geschoben.
 
Aber das zu sagen ist längst salonfähig in Japan.
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live